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Rechtliche Verbindlichkeit des Bauinventars

Für die rechtliche Umsetzung der Bauinventare bestehen zwei Möglichkeiten: Die behördenverbindliche und die grundeigentümerverbindliche Umsetzung. Die Denkmalpflege empfiehlt den Gemeinden die behördenverbindliche Inventarlösung, da sie im Vollzug einige Vorteile hat.

Das Bauinventar ist ein Fachinventar. Es bezeichnet auf der Grundlage von wissenschaftlichen Kriterien die wertvollen Bauten des baukulturellen Erbes im Kanton Bern. Die Gemeinden sind verpflichtet, das Bauinventar bei Planungen und Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen und umzusetzen. Für die Eigentümerinnen und Eigentümer von Baudenkmälern hängt die rechtliche Verbindlichkeit des Bauinventars davon ab, wie das Inventar in ihrer Gemeinde umgesetzt wurde.

Behördenverbindliche Inventarlösung

Bei der behördenverbindlichen Inventarlösung wird das Bauinventar einer Gemeinde durch das Amt für Kultur per Verfügung verwaltungsanweisend in Kraft gesetzt. Dies bedeutet, dass ein Inventar zunächst nur von den kantonalen und kommunalen Behörden beachtet werden muss, bspw. bei Planungen. Für die Eigentümerinnen und Eigentümer hingegen werden die Inventareinträge erst im Rahmen eines konkreten Baubewilligungsverfahrens verbindlich. Deshalb können sie zu diesem Zeitpunkt den Nachweis der Richtigkeit des Inventareintrages verlangen (Art. 10d Abs. 2 BauG). Die behördenverbindliche Inkraftsetzung des Bauinventars stellt den Regelfall dar.

  • Einstufungsüberprüfung

  • Die behördenverbindliche Inventarlösung ist in der kommunalen baurechtlichen Grundordnung daran zu erkennen, dass die schützenswerten und erhaltenswerten Baudenkmäler in der Legende im Zonen-/Schutzplan lediglich unter «Hinweise» erwähnt werden.
  • Im Baureglement wird zudem in der Regel darauf hingewiesen, dass das von der zuständigen Fachstelle des Kantons erstellte und in Kraft gesetzte Bauinventar die schützenswerten und erhaltenswerten Baudenkmäler bezeichnet.

Grundeigentümerverbindliche Umsetzung

Die Baugesetzgebung gibt den Gemeinden zusätzlich die Möglichkeit, die Inventarobjekte im Rahmen einer Ortsplanung nicht nur als Hinweise in den Plänen und Vorschriften aufzuführen. Die Objekte können auch grundeigentümerverbindlich im Zonen-/Schutzplan sowie im Baureglement verankert werden (Art. 64a BauG).

  • Die grundeigentümerverbindliche Umsetzung ist in der kommunalen baurechtlichen Grundordnung daran zu erkennen, dass die schützenswerten und erhaltenswerten Baudenkmäler im Zonen-/Schutzplan in der Legende als Festlegungen erwähnt werden und nicht nur unter «Hinweise».
  • Im Baureglement wird zudem in der Regel ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Bauinventar grundeigentümerverbindlich ist. Manchmal sind zusätzlich alle betroffenen Objekte in einem Anhang zum Baureglement aufgeführt.

Bei der grundeigentümerverbindlichen Umsetzung des Bauinventars werden die Inventareinträge mit Abschluss der Ortsplanungsrevision auch für die Eigentümerinnen und Eigentümer verbindlich. Sie müssen deshalb zum Zeitpunkt der öffentlichen Auflage der Ortsplanungsrevision die Bewertung ihres Objektes als Baudenkmal bestreiten, wenn sie damit nicht einverstanden sind. In einem späteren Baubewilligungsverfahren haben sie diese Möglichkeit nicht mehr.

Vor- und Nachteile der beiden Varianten

Zu Beginn der Inventarisierung Anfang der 1990er Jahre wurden die Bauinventare von etlichen Gemeinden grundeigentümerverbindlich umgesetzt. Inzwischen hat sich die grosse Mehrheit aller Gemeinden – etwa 90 Prozent – aber für die behördenverbindliche Inventarlösung entschieden. Aufgrund der Erfahrungen der letzten 30 Jahre empfiehlt die Denkmalpflege den Gemeinden die behördenverbindliche Inkraftsetzung der Bauinventare (Inventarlösung). Diese ist sowohl für die Gemeinden als auch für die Eigentümerinnen und Eigentümer vorteilhafter.

Bei der grundeigentümerverbindlichen Umsetzung, d.h. der Verankerung der Baudenkmäler in den Plänen und dem Baureglement einer Gemeinde, kann sich die Ortsplanungsrevision aufgrund von Einsprachen und Beschwerden der betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer verzögern. Diese können nur zu diesem Zeitpunkt den Denkmalwert ihres Objektes bestreiten und müssen folglich «auf Vorrat» Beschwerde führen. Da eine Einstufungsüberprüfung im Rahmen eines späteren Baubewilligungsverfahrens nicht mehr möglich ist, müssen die Eigentümerinnen und Eigentümer unter Umständen 10–15 Jahre (oder auch mehr) warten, bis die Festsetzung der Baudenkmäler bei einer nächsten Nutzungsplanung wieder aktuell wird.

Ein weiterer Nachteil der grundeigentümerverbindlichen Umsetzung ist der Umstand, dass eine spätere Revision des Bauinventars zu rechtlichen Unklarheiten führen kann, wenn sich daraus Differenzen zu den Plänen und Vorschriften der Gemeinde ergeben. Dies ist aktuell im Zusammenhang mit der Revision des Bauinventars von Bedeutung: Viele bisher als erhaltenswert eingestufte Objekte, die in kommunalen Plänen und Vorschriften noch grundeigentümerverbindlich als Baudenkmäler verankert sind, werden aus dem Bauinventar entlassen. Zudem sind allfällig neu in das Bauinventar aufgenommene Objekte nicht grundeigentümerverbindlich festgelegt, was zu weiteren Unklarheiten führen kann. Gemeinden, die das Bauinventar grundeigentümerverbindlich umgesetzt haben, müssen daher die Aktualisierung der baurechtlichen Grundordnung rasch vornehmen; nötigenfalls ist eine Planungszone zu erlassen (Art. 13d Abs. 2 BauV).

Auch bei Gemeindefusionen können sich Schwierigkeiten ergeben, insbesondere wenn die ehemaligen Gemeinden unterschiedliche Systeme gewählt hatten. Bis zu einer umfassenden Ortsplanungsrevision sind dann für gewisse Gebiete der neuen Gemeinde die Baudenkmäler grundeigentümerverbindlich verankert, während für andere Gebiete die behördenverbindliche Inventarlösung gilt. Daraus ergeben sind unterschiedliche Regelungen für die Eigentümerinnen und Eigentümer.

Die behördenverbindliche Inventarlösung hat demgegenüber den Vorteil, dass Eigentümerinnen und Eigentümer die Denkmaleigenschaft ihres Objektes im konkreten Baubewilligungsverfahren bestreiten können, also dann, wenn sich der Inventareintrag für sie tatsächlich auswirkt.

Sobald das Bauinventar revidiert und in Kraft gesetzt worden ist, ist es rechtsgültig. Es dient als verbindliche Grundlage für die Beurteilung von Bauvorhaben und Planungsverfahren. Die Gemeinden müssen ihre Zonen- oder Schutzzonenpläne jedoch nicht in jedem Fall unmittelbar aktualisieren: Gemeinden mit behördenverbindlicher Inventarlösung können eine Anpassung der Zonen- oder Schutzpläne zu einem nächst möglichen Termin vornehmen, da die Baudenkmäler lediglich als Hinweise in den Plänen verzeichnet sind. Auch bei Gemeindefusionen besteht kein dringender Handlungsbedarf, wenn alle ehemaligen Gemeinden die behördenverbindliche Inventarlösung gewählt hatten.

Aus den erwähnten Gründen empfiehlt die Denkmalpflege Gemeinden, die das Bauinventar aktuell grundeigentümerverbindlich umgesetzt haben, einen Wechsel zur Inventarlösung zu prüfen. Dieser kann im Rahmen einer (Teil-)Ortsplanungsrevision vollzogen werden. Bereits haben sich einige Gemeinden zu diesem Schritt entschlossen.

Vor- und Nachteile auf einen Blick


Behördenverbindliche Inventarlösung
 
  Vorteile
Nachteile
Eigentümer*innen
  • Überprüfung der Denkmaleigenschaft im konkreten Baubewilligungsverfahren möglich
 
Gemeinden
  • keine unmittelbare Aktualisierung der Zonen- oder Schutzpläne nach Revision Bauinventar notwendig
  • allfälliger Mehraufwand im Baubewilligungsverfahren

Grundeigentümerverbindliche Umsetzung
 
  Vorteile
Nachteile
Eigentümer*innen  
  • Infragestellung der Denkmaleigenschaft nur im Rahmen einer Ortsplanung möglich
  • Allfällige Rechtsungleichheit bei Gemeindefusionen
Gemeinden
  • grundeigentümerverbindliche Festlegung aller Baudenkmäler in einem Verfahren möglich
  • Betroffene ergreifen Rechtsmittel und verzögern die Ortsplanung (Beschwerden «auf Vorrat»)
  • Zonen- oder Schutzpläne müssen unmittelbar nach Revision des Bauinventars aktualisiert werden
  • Gefahr von Rechtsunsicherheiten wegen Differenzen zwischen Bauinventar und kommunalen Plänen und Vorschriften
  • Allfällige Schwierigkeiten bei Gemeindefusionen
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