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Von gestern für morgen

Kennen Sie das spezifische Gewicht der Blaumeise in der Archäologie? Zugegeben, ich habe es erst vor Kurzem kennengelernt. Auf dem Baugerüst, in luftigen Höhen, entlang der Nordfassade des Schloss Burgdorf. Aktuell werden dort Sanierungsarbeiten am mittelalterlichen Gemäuer vorgenommen. Während die Fachpersonen des Archäologischen Dienstes Grundlagen erarbeiten und neue Erkenntnisse zur Baugeschichte des Denkmals gewinnen, machen Restauratorinnen und Restauratoren den Jahrhunderte alten Stein zukunftstauglich.

Auf einem Rundgang lauschte ich den sachkundigen Ausführungen des Mittelalter-Archäologen – als ich unvermittelt den kleinen, handschriftlichen Baustellen-Hinweis las, signalgelb aufs Gemäuer geklebt: «Achtung! Nest von Blaumeise!». Ich las den Hinweis ein zweites und ein drittes Mal – und für einen kurzen Moment hielten sich die zehn Gramm eines Blaumeisen-Körpers und die massive Wucht der gut 700-jährigen Schlossfassade geradezu poetisch die Waage.

Eigentlich wäre dieser kurze Moment (ohnehin nur für Schwindelfreie) zum Vergessen. Doch er begleitet mich seither als federleichtes Sinnbild für den Weg, den wir im Amt für Kultur beschreiten: Entsprechend dem «Engagement 2030», den Berner Regierungsrichtlinien für die Jahre 2023-2026, richten wir unsere Arbeit in der Kulturförderung, Denkmalpflege und Archäologie nach den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung aus.

Wir erfinden dabei das Rad nicht neu. Aber wir nehmen unsere Möglichkeiten, durch unsere Arbeit, mit unserer Arbeit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie zur ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit beizutragen, gezielter in den Fokus. Und setzen Akzente: «futurculture – Impulse für nachhaltige Kultur» heisst der Förderakzent, den die kantonale Kulturförderung jetzt für die nächsten 15 Monate ausschreibt. Mit einem Umsetzungsbeitrag können engagierte Kulturbetriebe sich selber auf ihrem Weg zur umweltverträglicheren Kulturproduktion voranbringen.

Bei der Förderung von zeitgenössischem Kulturschaffen, wo von Grund auf Neues entsteht, schärfen wir also den Blick für nachhaltigere Produktion. In der Kulturpflege, bei der kantonalen Denkmalpflege und dem Archäologischen Dienst, fokussieren wir umso mehr auf die Frage, wie wertvoll Geschaffenes und gesellschaftlich Aussagekräftiges aus der Vergangenheit sinnvoll – und das heisst: nachhaltig – in die Zukunft kommt.

Die Burgdorfer Blaumeise, die im national bedeutenden Kulturgut des Schlossgemäuers ihren Nistplatz pflegt, führte es mir in aller Selbstverständlichkeit vor: Im heutigen Denkmal will seit je gewohnt, gelebt und genestet sein. Und: Im sinnhaft gepflegten Baudenkmal beginnt heute erst recht die Gegenwart von morgen.

Umso mehr arbeiten der Archäologische Dienst und die kantonale Denkmalpflege umsichtig zugunsten der Berner Zukunft. Interessante Beispiele gibt es immer wieder zu entdecken – so wartet auch auf Sie das Burgdorfer Schlossgemäuer mit neuen Ein- und Aussichten, mit oder ohne Blaumeise, an den Europäischen Denkmaltagen vom 7. und 8. September!

Sibylle Birrer, Vorsteherin Amt für Kultur des Kantons Bern

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