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Eindeichen

Eine Ferienerinnerung aus der Kindheit ist kürzlich wieder aufgeflackert: Wir waren mit unseren holländischen Freunden unterwegs auf Walcheren an der Nordsee. In einem Freilichtmuseum wurde im Kleinformat der Kampf der Holländer gegen die Flut und die Landgewinnung im Modell anschaulich gemacht. Faszinierend für ein Kind, das nichts lieber tat als Bächlein stauen und umleiten, dabei auch kleine Überschwemmungen in Kauf nehmend. Das Wort "eindeichen" ist mir geblieben, welches die Gewinnung von Neuland benennt.

Dieses Verb hat mich angesprungen, als ich kürzlich einen Vorgang ganz anderer Art beschreiben wollte: Das Entdecken eines mir unbekannten Begriffs aus dem Französischen und dessen schrittweise Aneignung – vom kräftezehrenden Auswendiglernen, über das vorsichtige erste Ausprobieren, bis hin zum mühelosen Anwenden im Gespräch. «Rocambolesque» ist so ein Wort. Mit ihm kann man fast lautmalerisch einen ganz unglaublich faszinierenden und überraschenden Eindruck wiedergeben. Und dank rocambolesquen Kulturereignissen im Kanton Bern mangelt es mir nicht an Anwendungsmöglichkeiten.

Der zweisprachige Kanton Bern bietet uns laufend Gelegenheit, solche Entdeckungen in der jeweils anderen Landessprache zu machen. Eindeichen beschreibt so zutreffend diesen Vorgang, weil man mit jedem dazugelernten Wort, mit jeder aufgeschnappten Redewendung besser sprechen und verstehen kann. Doch beim Bilinguismus geht es nicht bloss um Kommunikation, sondern auch um das Kennenlernen anderer kultureller Hintergründe. Mit jedem Wort, das wir uns neu erschliessen, machen wir uns deshalb ein Stück Kulturland urbar, vergrössern wir unseren mentalen Pflanzblätz.

Hans Ulrich Glarner, Vorsteher Amt für Kultur des Kantons Bern,
hält an der Jahresversammlung von BERNbilingue das Hauptreferat zur Pflege der Zweisprachigkeit:
15. September, 19 Uhr, Altes Tramdepot beim Bärenpark. Eintritt frei.

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