Logo Kanton Bern / Canton de BerneKultur

Kulturlandschaft

Archäologie macht glücklich! Das habe ich gleich zweimal erlebt in den letzten Wochen und zwar in den Regionen, wo der Kanton Bern am höchsten und am tiefsten ist. Gletscherarchäologie und Ruinenpflege sind zwei Spezialgebiete des Archäologischen Dienstes, die weit über die Kantonsgrenzen hinaus wahrgenommen werden. Mein Interesse wuchs durch anschauliche Schilderungen der Mitarbeitenden, der Lektüre unserer archäologischen Jahrbücher, bei Besuchen im Konservierungsatelier in Bümpliz und unterwegs im Bernbiet. Schliesslich bat ich darum, bei einem der jährlichen hochalpinen Kontrolleinsätze dabei zu sein, um die Arbeit des spezialisierten Archäologieteams aus der Nähe miterleben zu können. Anfang September ging es mit Sack und Pack auf den Lötschenpass, wo das schmelzende Firnfeld jährlich neue Funde aus der Bronze- und Römerzeit und aus dem Mittelalter preisgibt.

Der Hochgebirgseinsatz fand rund um einen Schmelzwasser-Tümpel statt, in dessen Mitte Überreste eines mittelalterlichen Kuhskeletts ruhen. Selber als Hilfsassistent im Einsatz, kam ich aus dem Staunen nicht heraus, mit welcher Präzision in dieser unwirtlichen Weite die Archäologin und die Kunsthistorikerin sofort Relevantes erkennen. Unter erheblichen Strapazen, teilweise im Biwak, kontrollieren sie jährlich die bekannten Fundstellen in den Berner Alpen. Was sie finden, interessiert und fasziniert weit über die Fachwelt hinaus ein stetig wachsendes Publikum. Ob das japanische Fernsehen eine Reportage über die bernische Gletscherarchäologie ausstrahlt oder in einem Oberländer Gemeindesaal über die Funde referiert wird: Das Publikumsinteresse ist gewiss.

Zwei Wochen später umkreiste eine grosse Wandergruppe im Grenzgebiet zu den Kantonen Luzern und Aargau die Burgruine Grünenberg. Der rührige Verein der Ruinenfreunde vermittelte auf der 12 km langen Tour neben lokaler Geschichte auch regionale Spezialitäten und überregionalen Weingenuss. Der Archäologische Dienst war in den 90ern oberhalb Melchnau während mehrerer Jahre im Einsatz. Die Burgruine wurde freigelegt, restauriert, konserviert und erforscht. Der in seiner Art einzigartige Ornamentplattenboden der ehemaligen Kapelle erhielt einen neuen Schutzbau. Dem Grundprinzip, einer breiten Öffentlichkeit zu dienen, lebte der Archäologische Dienst auch hier nach. Zusammen mit der Gemeinde, einer Stiftung und dem genannten Verein wurde die gesamte Anlage als Begegnungsort erschlossen, als den er sich bis heute bewährt.

Wenn der Archäologische Dienst des Kantons Bern ausrückt, erweitert er die historische Dimension unseres Lebensraums. Die Erkenntnisse werden nicht nur zwischen Buchdeckeln, im Netz oder im Museum präsentiert. Besonders intensiv lassen sie sich in der Landschaft und am Schauplatz erleben, sei es im unwirtlichen Hochgebirge oder inmitten der sanften Hügel des Mittellandes. Der Blick weitet sich auf vergangene Epochen und lässt uns die Gegenwart umso intensiver erleben, Glücksgefühle inbegriffen. Und die Erkenntnisse stehen zur freien Verfügung, um die Zukunft konstruktiv zu gestalten.

Hans Ulrich Glarner, Vorsteher Amt für Kultur des Kantons Bern

Buchtipp: Ausflug in die Vergangenheit. Archäologische Streifzüge durch den Kanton Bern. Adriano Boschetti und Armand Baeriswyl, Bern 2022

  • zurück zur Übersicht

Seite teilen