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Wiederentdeckt: Englische Tapete im Schloss Aarwangen

Das Archivmaterial der Denkmalpflege und der Zufall führten zur Wiederentdeckung einer aussergewöhnlichen Raumdekoration des späten 18. Jahrhunderts.

Berner Regierungsvertreter nutzten das Schloss Aarwangen mehr als 500 Jahre lang für unterschiedliche Zwecke. Anlässlich des letzten grossen Umbaus 1962/63 legte man die barocken Wand- und Deckenmalereien in den Zimmern südwestlich des Turmes frei. Fotos im Archiv der Denkmalpflege zeugen davon, dass damals nur wenige weitere Spuren älterer Ausstattungsphasen zum Vorschein kamen. Dass nun doch noch eine bedeutende Entdeckung gemacht wurde, ist einem Zufall zu verdanken.

Die Denkmalpflege sichtete 2021 im Auftrag der Burgerbibliothek Bern grossformatige Pläne und Zeichnungen aus dem Firmenarchiv der H. A. Fischer AG, die an der Restaurierung des Schlosses in den 1960er Jahren beteiligt war. Dabei entdeckte man zwei Tapetenrollen ohne Herkunftsangabe. In Anbetracht ihrer drohenden Vernichtung erschien es sinnvoll, die Tapeten trotz des schlechten Erhaltungszustandes zu entrollen und eine mögliche Zuordnung zu prüfen. Zum Vorschein kam ein von den Fotos aus Schloss Aarwangen bekanntes Muster. Der Vergleich mit weiterem Archivmaterial räumte letzte Zweifel aus: Die Tapeten zierten ursprünglich einen Raum im zweiten Obergeschoss von Schloss Aarwangen. Sie waren wohl vor dem Amtsantritt von Oberamtmann Franz von Lerber im Jahre 1812 angebracht und 1962/63 wieder abgenommen worden.

Zollstempel auf der Rückseite

Bei den im Handdruckverfahren hergestellten Papiertapeten handelt sich um sogenannte Bogenrollen – aus einzelnen Blättern zusammengeklebte Bahnen, die bis zur Einführung des Endlospapiers in der Tapetenproduktion um 1830 üblich waren. Über dem grau eingefärbten Grund liegen drei mit Holzmodeln von Hand aufgedruckte Farbschichten. Eine phantastische Architekturkulisse ist mit Blumengirlanden, Vasen und auffällig platzierten militärischen Motiven geschmückt.

Auf der Rückseite finden sich Zollstempel mit den bekrönten Initialen «GR» für «George Rex». Die Tapete stammt also aus einer englischen Manufaktur. Motiv und Stil sprechen für eine Datierung in das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts. Einzelne Fragmente vergleichbarer Tapeten haben sich in Museen in London und New York erhalten. Mit den wiederentdeckten Originalen aus Aarwangen wird ein exklusives Interieur aus der Endphase des Ancien Régime greifbar. Es bleibt zu hoffen, dass sie restauriert und in der zukünftigen Schlossausstellung gezeigt werden können.

Text: Markus Thome

Viel Neues im Schloss Aarwangen ab 2024

Ab Frühling 2024 wird das Schloss Aarwangen zum Begegnungsort für Gross und Klein. Im November 2020 übergab der Kanton Bern das Schloss der neu gegründeten Stiftung Schloss Aarwangen, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Schloss zu beleben und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im alten Gemäuer erwartet die Besucherinnen und Besucher viel Neues.

Fachwerk 2022: Denkmalpflege – Gewusst wie

Der Bericht über die englische Tapete wurde im Fachwerk 2022 publiziert. Das diesjährige Magazin «Fachwerk» gibt Einblick in die vielseitigen Tätigkeiten der Denkmalpflege. Die Arbeit am Baudenkmal ist immer Teamarbeit und bedingt Kenntnisse in vielen Disziplinen. Die Denkmalpflege versteht sich dabei als Dienstleisterin und Beraterin. Bei der Umsetzung von Umbau- und Restaurierungsprojekten ist sie auf motivierte und kompetente Partnerinnen und Partner angewiesen. Das «Fachwerk» bietet eine Auswahl von kürzlich restaurierten Baudenkmälern und präsentiert Entdeckungen – wie die englische Tapete in Schloss Aarwangen.

Architekturkulisse mit Blumengirlanden, Vasen und militärischen Kulissen. Décor architectural avec des guirlandes de fleurs, des vases et des motifs militaires, Foto: Markus Thome, Denkmalpflege des Kantons Bern
Foto aus dem Archiv der Denkmalpflege. Photo des archives du Service des monuments historiques Foto: Denkmalpflege des Kantons Bern
Zollstempel mit den bekrönten Initialen «GR». Sceau de la douane avec les initiales « GR » entourées d’une couronne Foto: Markus Thome, Denkmalpflege des Kantons Bern
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