Wohin man auch schaut: Es poltert und kracht. Es wird gedroht und gezeuselt, versengt und vernebelt. Zwar reden wir schon lange von politischer Spaltung und Polarisierung. Aber jetzt, wo so mancher Geist gleichzeitig aus der Flasche entwichen zu sein scheint, könnte einem nur noch Bange sein.
Zum einen aber war Angst noch nie ein guter Ratgeber. Zum anderen gehören Spaltungsdiagnosen zum historischen Repertoire jeder Gegenwart. Das zeigt das lesenswerte Buch «Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft» der deutschen Soziologen Mau, Lux und Westheuer.
Umso mehr heisst es: Augen und Ohren auf, Verstand auf volle Kraft voraus! Wo finden wir das Verbindende, das uns als (zwar verschreckte, aber immer noch gut genährte und gebildete) Schweizer Gesellschaft zusammenhält?
Es wird Sie nicht überraschen, dass ich Kultur für den vielfältigsten, innovativsten und auch verbindendsten Austragungsort für unterschiedliche Perspektiven halte. Die Studie «Barometer: Zusammenhalt in der Schweiz» hat mich aber vor ein paar Tagen kurz aus dem Konzept gebracht. Sie ist vom Forschungsinstitut Sotomo, dem valablen Absender der nationalen Abstimmungsbarometer, verfasst. Sie kommt zum Schluss, dass es zwar um unseren Zusammenhalt nicht allzu schlecht bestellt ist. Aber dass leises Bröckeln Stärkung nötig macht.
Doch wie soll Zusammenhalt gefördert werden? Nach einigem Blättern werde ich im Vertrauten fündig: Zwei Drittel der Befragten sehen nicht nur gemeinsames Essen und Trinken als Zusammenhalt förderndes Ritual. Sondern auch Kulturelles wie Brauchtum, Besuch von Kulturveranstaltungen, gemeinsamem Musizieren etc. Na also, wusste ich es doch!
Aber ohalätz, nun nimmt die Studie eine unerwartete Wendung. Bei der Frage, was am stärksten mit «Geselligkeit und Gemeinschaft» verbunden wird, schwingt beim Auswahlmenü obenaus: Grillieren. Bier trinken. Und wandern. Bei aller persönlicher Hingabe an dieses Dreigestirn – soll das wirklich die Medizin sein für die kommenden, globalen Herausforderungen?
Nachdenklich lege ich die Studie, die sich abschliessend mit der «starken sozialen Komponente des Biers» beschäftigt, zur Seite. Und frage mich, ob – angesichts dieser Ergebnisse – die Kulturförderung im Kanton Bern neu ausgerichtet werden sollte.
Da aber fällt mir ein, dass acht Museen in Bern, Thun und Burgdorf die ideale, Gemeinschaft stärkende Aktivität auch in diesem Jahr in ihrem Angebot haben: Bis zum 13. März laden sie wöchentlich zum «Museumsbier». Was bin ich erleichtert.
Eine leise Irritation über das Studien-Design kann ich dennoch nicht verhehlen – bis mir auf dem Deckblatt, unterhalb des Titels, der Auftraggeber auffällt: «Von Feldschlösschen» steht da geschrieben. Das kann man nun sehr prosaisch oder geradezu poetisch lesen. Die Interpretation verhält sich aber auf jeden Fall relativ zu den Erwartungen an das soziologische Barometer. Diskutieren wir diese Perspektiven beim nächsten Museumsbier?
Sibylle Birrer, Vorsteherin Amt für Kultur des Kantons Bern