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Altstadthäuser

Fassaden gelten oft als «Gesicht» eines Hauses. Doch was verraten sie, insbesondere jene von Altstadthäusern, über die Räume dahinter und die Ansprüche ihrer Bewohnerinnen und Bewohner? 

Nach der Sanierung hat die Fassade des Hauses an der Marktgasse in Laupen die ursprüngliche verblüffende Farbigkeit mit rotem Holzwerk und ockerfarbigen Gefachen zurückgewonnen (Foto: Markus Beyeler).

Enge Gassen und geschlossene Häuserzeilen mit schmalen Parzellen sind prägende Merkmale unserer Altstädte. Die dichte Bebauung hat mit Blick auf Platz- und Materialverbrauch oder das Thema Wärmedämmung grosse Vorteile. Das Hausinnere mit genügend Licht zu versorgen, ist hingegen eine Herausforderung. Fassaden- und Grundrisslösungen aus unterschiedlichen Epochen, aber auch nachträgliche bauliche Eingriffe illustrieren dies eindrücklich.

Laupen: Fassade als Spiegel der Innenraumstruktur

Das Haus Marktgasse 14 in Laupen ist ein dreigeschossiges Reihenhaus in Riegkonstruktion mit geknicktem Satteldach. Etwas zurückversetzt schliesst es an die grösseren Steinbauten an, die in Richtung Läubliplatz folgen. Die Bauuntersuchung konnte die am Türsturz angegebene Jahreszahl 1710 dendrochronologisch als Baujahr bestätigen und ermöglichte eine Teilrekonstruktion der alten Fassadenstruktur inklusive der bauzeitlichen Farbigkeit. Der Grundriss weist in allen drei Geschossen zwei Räume auf. Die Aufenthaltsräume sind gassenseitig angeordnet. Treppenstiege und Küche befinden sich im rückwärtigen Bereich, zu dem der Gang im Erdgeschoss führt. Die zweiraumtiefe Organisation ermöglicht eine direkte Belichtung aller Räume von der Gassen- und Hofseite her.

Die Fenster der Obergeschosse sind nicht gleichmässig über die Hauptfassade verteilt, sondern entlang der Mittelachse gebündelt. Sichtbar wird dies an dem wiederhergestellten vierteiligen Fensterband, das die Stube im ersten Obergeschoss als den zentralen beheizten Raum des Hauses auszeichnet. Für die darüber liegende Kammer reichten dagegen ursprünglich zwei zusammengerückte Fenster aus. In beiden Geschossen verwies also die Art der Befensterung auf die Bedeutung der dahinterliegenden Räume. Bei der Sanierung der Fassade gelang es, nachträgliche Veränderungen punktuell zurückzusetzen. Dies beruhigte die Fassade und näherte ihr Erscheinungsbild den bauzeitlichen Gestaltungsprinzipien an.

  • Blick in den Dachraum (Foto: Markus Beyeler).
  • Das Gebäude ist ein Farbtupfer in der eher nüchternen Gebäudereihe (Foto: Markus Beyeler).
  • Das vierteilige grosszügige Fensterband des ersten Obergeschosses zeichnet die Stube dahinter als zentralen beheizten Raum aus (Foto: Markus Beyeler).

Burgdorf: Ältere Strukturen hinter neuen Fassaden

Durch einen Schacht fällt das Licht vom Dach bis in das erste Obergeschoss (Foto: Dominique Plüss).

Das Haus Hohengasse 29 in Burgdorf ist ein typisches Beispiel für ein sukzessiv gewachsenes Altstadthaus. Die Untersuchungen im Zuge des Umbaus zeigten, dass dort in den 1620er Jahren ein Neubau als Ersatz für einen älteren Vorgänger entstanden war. Der langgestreckte Baukörper war wie jener in Laupen in zwei Räume geteilt. Zum Kronenplatz ausgerichtet lagen im ersten Obergeschoss die Wohnstuben, dahinter die Küche, ein Gang und das Treppenhaus. Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt das Gebäude eine neue Fassade. Wie seit der italienischen Renaissance üblich, sind die Fenster gleichmässig über die Front verteilt. Die rasterartige Fenstersetzung erzeugt eine einheitlich geordnete Schaufront, welche auf die Hervorhebung einzelner Räume oder Geschosse verzichtet.
Als 1882 auf der Rückseite eine dritte Raumschicht hinzukam, konnte der mittlere Hausbereich nicht mehr direkt belichtet werden. Man entschied sich daher, nordwestlich des Treppenturms einen Schacht einzubrechen, durch den das Licht vom Dach bis in das erste Obergeschoss einfällt. Mit Glas abgeschlossen übernimmt er die Funktion eines Hofes, wie er bei grösseren, aus Vorder- und Hinterhaus bestehenden Gebäuden schon im Spätmittelalter üblich war. Nach der Gesamtsanierung sorgt der Schacht für eine stimmungsvolle Belichtung – sogar in der Buchhandlung im Erdgeschoss.

Thun: Eine Fassade für zwei

Das grosse Oblicht im Dach versorgt die innen liegenden Wohnräume sowie die beiden Treppenhäuser mit Tageslicht (Foto: Bahoz Issa).

An die Tradition des Innenhofs knüpft das klassizistische, um 1820 erstellte Doppelwohnhaus Freienhofgasse 11 in Thun an. Sein breiter, viergeschossiger Baukörper mit Mansarddach zeigt wie das Altstadthaus in Burgdorf eine gleichförmig strukturierte Fassade in der für die Neuzeit typischen Form. Nur die beiden seitlichen Fenster mit zusätzlichem Gebälk über Volutenkonsolen verraten, dass der einheitlich geplante, monumentale Block aus zwei separaten Haushälften von je drei Fensterachsen Breite besteht. Ihr symmetrisch angelegter Grundriss gliedert sich in ein Vorder- und Hinterhaus. Dazwischen ist ein zentraler Lichthof mit seitlichen, halbovalen Treppenhäusern eingefügt, der vom Erdgeschoss bis zum First reicht. Das grosse Oblicht im Dach versorgt die innen liegenden Wohnräume sowie die beiden Treppenhäuser mit Tageslicht. Die sorgfältige Sanierung rückte die Qualität des grosszügigen Binnenraums wieder ins rechte Licht.

Der Wandel der Fassaden spiegelt Veränderungen in der Raumorganisation und Nutzung der Altstadthäuser. Dabei spielt neben Belichtung und Wohnkomfort immer die Gestaltung und der Repräsentationswille eine entscheidende Rolle. Für die hier beschriebenen Beispiele gilt: Das Haus erhält ein Gesicht, das sich bewusst nach aussen wendet.

  • Burgdorf: Ältere Strukturen hinter neuen Fassaden (Foto: Dominique Plüss).
  • Thun: Eine Fassade für zwei (Foto: Bahoz Issa).
  • Burgdorf: Mit Glas abgeschlossen übernimmt der Lichtschacht die Funktion eines Hofes (Foto: Dominique Plüss).
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