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Tanzende Bibliothekare

Welchem Algorithmus ich dies auch immer zu verdanken habe: Seit ein paar Tagen beschenkt mich Instagram mit tanzenden Bibliothekaren. Ja, männlich. Nein, nichts Anzügliches: Korrekt bekleidet tanzen sie – zwischen Bücherregalen, Lese-Sesseln und Medien-Self-Check-out – die famöse Szene von Hugh Grant als entfesseltem Premierminister aus dem 2000er-Weihnachtskino-Klassiker «Love Actually» nach. Konzentriert und mit gut dosierter Selbstironie.

Eigentlich wäre es an uns Nutzerinnen und Nutzern, der Bibliothek unseres Vertrauens mal einen Freudentanz zu widmen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass sie uns einen immer vielseitigeren Service Public zur Verfügung stellt. Aus der einstigen Leih-Stelle für Bücher (drei pro Monat, maximal, das war das Mass meiner Kindheit) sind eigentliche Versorgungsstationen geworden. Nicht nur für Medien. Sondern auch fürs Verweilen, Lernen, Begegnen, Arbeiten, Spielen, Tauschen.

Zum einen antwortet diese Angebotsausweitung auf die gesellschaftlichen Notwenigkeit, die Lese- und Medienkompetenz möglichst früh, breit und nachhaltig zu stärken. Zum andern reagieren die Bibliotheken auf den Bedarf nach niederschwellig zugänglichen Orten, an denen alleiniges oder gemeinsames «Sein», frei von Konsumzwang, möglich ist. In meiner Bibliothek sehe ich Menschen, die sich zum Sprach-Tandem treffen. Zur Nachhilfe-Stunde. Zum Schreiben, Erfahrungen tauschen. Und natürlich zum Lesen, gemeinsam oder alleinig – dank «open library»-Angeboten, sei es im Nicht-Städtischen, Städtischen oder Überregionalen, bis in die Nacht.

Dass die flexibel sich weitenden Angebote der Bibliotheken auf ebenso rege Nachfrage stossen, zeigt die Schweizerische Bibliotheksstatistik: Die Eintrittszahlen pro Bibliothek sind über die Jahre stetig gestiegen. Ebenso stetig stieg die Zahl der Veranstaltungen. Und um die wirklich grosse Zahl zu nennen: 2023 verzeichneten die Bibliotheken 46.3 Mio Eintritte.

2025 muss nun aber die Pegelmessung neu ausgerichtet werden. Aus Spargründen hat sich das Bundesamt für Statistik von der Aufgabe zurückgezogen. Zwar ist der schweizerische Berufs- und Dachverband Bibliosuisse umgehend eingesprungen. Aber die neue Verantwortlichkeit bedarf der neuen Eichung. Dies vermag der Bedeutung der erfolgreichen Arbeit der Bibliotheken jedoch ebenso wenig anzuhaben wie deren Anerkennung.

Und was tut der Kanton Bern für seine rund 500 öffentlichen Bibliotheken? Im Kleinen unterstützt er sie punktuell, mittels Kulturförderungsbeiträgen. Im Grossen mittels Betriebsbeiträgen an die zwölf Regionalbibliotheken, im Verbund mit den Standortgemeinden und den Regionen. Und dort, wo die besondere Geografie besondere Massnahmen erfordert, chauffiert der Bibliobus Jura & Grand Chasseral knapp 80'000 Medien in über 100 Ortschaften.

Die Bibliotheken bewegen sich, buchstäblich. Wen wundert’s, dass nun auf Instagram auch ab und an ein bibliothekarisches Tänzchen auftaucht.

Sibylle Birrer, Vorsteherin Amt für Kultur des Kantons Bern

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