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Zukunftsmusik

Es geht schnell voran. Sehr schnell sogar. Und mehr denn je, wenn es um technologische Entwicklung geht, hängen wir beim Thema «Künstliche Intelligenz» mit unserer Vorstellungskraft und Beurteilungskompetenz hinterher. Erinnern Sie sich noch, als Sie Ihre erste Frage in ChatGPT eintippten? Gerne übten wir die ersten Kostproben in Gesellschaft, um uns gemeinsam über schiefe Ergebnisse zu amüsieren.

Zwei Jahre später wähle ich zwischen verschiedenen Sprachmodellen und «prompte» mich, Frage um Frage, in tiefere Schichten eines Themas. Ich lasse mir in Sekundenschnelle Texte generieren und deren Tonfall nach Belieben modellieren. Ich lasse die Ergebnisse mal auf 2000 Zeichen kürzen, mal essaymässig ausweiten oder, wenn’s beliebt, die Quintessenz in einer Tabelle zusammenfassen. Und frage mich umso häufiger beim Lesen fremder Texte: Wer hat sie geschrieben?

Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz befindet sich im exponentiellen Wachstum. Nutzung und Potenzial gehen nicht nur steil nach oben, sondern durch die Decke – und damit: tief in den Alltag hinein. Empören, verteufeln, sich echauffieren: so sinnlos wie fehlangezeigt. Vielmehr gilt es, sich mit der neuen Realität auseinanderzusetzen. Wie schon so viele Male zuvor in der Technik-Geschichte.

Und was hat das alles mit dem Amt für Kultur zu tun? Organisatorisch betrifft uns die KI-Entwicklung wie jeden Betrieb: Wie werden wir in drei, fünf Jahren amts- und verwaltungsintern arbeiten? Wo wird KI der Steigbügel für umfassendere Dienstleistung sein? Wo wird die menschliche Tätigkeit von heute morgen durch Technologie «abgewickelt»?

Einen der drei Aufgabenbereiche des Amts trifft die Entwicklungskurve von KI besonders: die Kulturförderung. Was bedeutet es für Musikschaffende, wenn KI aus der schier unendlichen Menge an verfügbarer Musikdaten «neuen» Sound kreiert und dieser – wie bereits Realität – auf Streaming-Plattformen so erfolgreich ist wie die monatelange Produktionsarbeit einer Band?

Was passiert mit den Urheberrechten der Autorin, den Bildrechten des Fotografen, wenn KI-Modelle permanent und umfassend mit neuen Daten trainiert werden? Wie finanziert sich die Grafikdesignerin, wenn ein KI-Tools an ihrer Stelle die Flyer-Gestaltung «kostenfrei» umsetzet?

Ganz grundsätzlich: Wie definiert man morgen ein «Kunstwerk»? Wie relevant ist es für die «Förderwürdigkeit» eines Kulturprojekts, ob es mit oder ohne KI geschaffen wurde? Und ganz alltagspraktisch: Wie sind Fördergesuche zu bearbeiten, wenn bald die meisten KI-unterstützt verfasst sind – in Sekundenschnelle und damit wohl auch in exponentiell steigender Zahl?

«Das ist ein komplexes Thema, das aktuell rechtlich und ethisch stark diskutiert wird», beginnt ChatGPT empathisch, als ich eine der Fragen eintippe. Und schon rattern Erläuterungen über meinen Bildschirm. Wir werden aber im Selberdenken gefordert sein. In diesem Herbst befasst sich zum ersten Mal das Bundesparlament mit KI-Fragen im Urheberrecht. Es wird spannend.

Sibylle Birrer, Vorsteherin Amt für Kultur des Kantons Bern

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