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Der passende Claim

Könnte man unseren Fachstellen einen Claim verpassen, dann hätte ich ihn für die Denkmalpflege rasch zur Hand: "Kantonale Denkmalpflege. Gebaute Nachhaltigkeit". Nachhaltigkeit ist ein abstrakter Begriff, der sich gelegentlich im Diffusen auflöst. Die Denkmalpflege macht das exakte Gegenteil davon. Sie ist sozusagen die Inkarnation der Nachhaltigkeit. Statt bei einem Abriss Unmengen grauer Energie zu vernichten, durch den Abtransport des Schutts und einen Neubau viel CO2 zu produzieren, bewahrt ein mit der Denkmalpflege sorgfältig restauriertes Gebäude einst aufgewendete Energie und bindet CO2. Nachhaltigkeit beweist die Denkmalpflege zudem in der Weitergabe von handwerklichem Wissen und Können, das über hunderte, ja tausende Jahre gewachsen ist: stuckieren, pflästern, polieren mit Schellack oder malen mit Leimfarbe. Schliesslich verbaut die Denkmalpflege beim Renovieren in der Regel Baumaterialien "aus der Region, für die Region". Schliesslich verbaute man einst, was um den Bauplatz greifbar war. "Nah bei dir", eben: Sandstein von Ostermundigen, Kalk aus Voralpen oder Jura, Lehm aus der Baugrube. Und natürlich Holz aus dem benachbarten Wald. Wenn wir in den kommenden Wochen die Denkmalpflegepreise des Jahres 2022 verleihen, sind das auch Nachhaltigkeitspreise. Preise "für dich und mich".

Eines der augenfälligsten Beispiele für Nachhaltigkeit am Bau ist das Schindeldach. Ein prächtiges Exemplar zeigt sich uns in Eggiwil. Die Bauherrschaft des restaurierten Käsespeichers erhält dafür den Denkmalpflegepreis 2022. Ein Schindeldach bietet während Jahrzehnten nicht nur Schutz vor Wind und Wetter, sondern leistet auch einen Beitrag an die Biodiversität. 35'000 Schindeln sind auf der oberen Knubelhütte verbaut worden. Hier tritt anstelle eines Ziegelbrands bei 950 Grad die menschliche Muskelkraft: Ein geübter Schindelmacher schafft mit Schindelmesser und Holzschlegel eine Tagesleistung von rund 2000 Schindeln. Ob er danach jedes Mal "frisch und fründlich" ist, bleibe dahingestellt.

In Corgémont hat die katholische Kirchgemeinde des Sankt-Immer-Tals die kleine Kirche der Architektin Jeanne Bueche aus den späten 50er Jahren mit grossem Engagement restaurieren lassen und damit nicht bloss "mehr fürs Leben" in der Kirchgemeinde getan, sondern auch ein Werk der bedeutenden Westschweizer Architektin der Nachwelt erhalten. Sie bekommt dafür den Spezialpreis der Denkmalpflegekommission 2022.

Lassen Sie sich die Besichtigung der preisgekrönten Objekte nicht entgehen: Vielleicht treffen wir uns nach zwei Jahren endlich wieder analog beim Schindelmacher-Workshop beim Käsespeicher oder an der Führung per App in Corgémont! Bei dieser Gelegenheit könnten wir dann feststellen, dass auch der folgende Claim, wäre nicht auch dieser durch einen Grossverteiler bereits besetzt, den Nagel auf den Kopf treffen würde: "Denkmalpflege lohnt sich".

Hans Ulrich Glarner, Vorsteher Amt für Kultur

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