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Frisch gewürzt

Wenn das schmiedeeiserne Menage auf dem Restauranttisch nicht bloss Salz und Pfeffer enthält, sondern zusätzlich mit einer Streuwürze bestückt ist, dann ist dies ein untrügliches Zeichen, sich innerhalb der Schweizer Grenzen aufzuhalten. Zwischen Appenzeller Siedwurst und Asperges du Valais figuriert Aromat sogar auf der Liste des kulinarischen Erbes der Schweiz. So gehört es selbstredend auch auf dem Gotthard-Hospiz zur Grundausstattung. Doch nicht sein Vorhandensein machte vor ein paar Jahren Schlagzeilen, sondern sein auffällig häufiges Fehlen. Zwar waren die Restaurantgäste Richtung Süden mit dem Ziel aufgebrochen, dem Alltag zu entfliehen. Doch bei aller Wertschätzung von Pizza und Spaghetti Bolo wuchs beim Anblick des gelb-grünen Büchsleins mit dem feuerroten Deckelchen das unstillbare Verlangen, während der Ferienwochen im Süden nicht auf den vertrauten Geschmacksverstärker verzichten zu wollen. Das verwandelte auch Tugendhafte in Langfinger, so dass so manches Aromat klammheimlich in der Hosentasche verschwand.

Jenseits aller geschmacklicher Vorlieben dürften wir allesamt einen Wunsch gemeinsam haben: Die Pandemie mit allen ihren negativen Begleiterscheinungen hinter uns zu lassen. Doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass vieles nicht mehr so sein wird, wie in der Zeit bis Anfang 2020. Das eine oder andere Vertraute, Liebgewordene oder Eingespielte, das uns bis zum ersten Shutdown begleitete, muss überdacht, zurückgelassen oder verändert werden. Mit der Verlängerung der Unterstützungsmassnahmen im Kulturbereich hat der Bund die Voraussetzung geschaffen, dass weiterhin auch Transformationsprojekte unterstützt werden können, sofern der Gesetzgeber auf kantonaler Ebene dafür grünes Licht erteilt.

Kulturunternehmen kann dies eine Motivation darstellen, über Veränderungen nachzudenken und deren Umsetzung anzupacken. Was hat sich in der Krise bewährt, das nun in eine veränderte Struktur überführt werden könnte? Welche Massnahmen wären für die Rückgewinnung des Publikums geeignet? Gibt es Kooperationspartner, mit denen ein Zusammenschluss geprüft werden könnte? Landauf und landab werden nun Transformationsprojekte entwickelt und die einmalige Chance wird genutzt, notwendige und innovative Transformationsprozesse anzupacken, um dadurch als Kulturunternehmen gestärkt aus der Krise zu kommen.

Vielleicht ergibt die sorgfältige Auslegeordnung vor dem Start eines Transformationsprojekts – sozusagen die Mise en place –, dass man auf dem Weg der Umsetzung auch etwas zurücklassen und sich zu neuen Ufern aufmachen könnte. Wie jene Schweizerinnen und Schweizer, welche auf dem Gotthard-Hospiz ein letztes hartgekochtes Ei mit Aromat bestreuen und das Büchslein getrost an seinen Platz zurückstellen, um sich dann auf das Abenteuer der mediterranen Küche einzulassen.

Hans Ulrich Glarner, Vorsteher Amt für Kultur

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